Blick nach Süden

vom Rektor auf Reisen, dem Poverello aus Umbrien, der Plünderung Roms und Gemälden Caravaggios

Italien - seit Jahrhunderten reelles und mythisches Ziel von Literaten, Künstlern und Reisenden, die ihren nördlich der Alpen gelegenen Lebensraum mit südlicher Lebensart vertauschen möchten.

Mythisches Italien. Zeichnung (Nachlass Hans Walter, Künstler unbekannt)
Fiktive italienische Landschaft, von Fiesole aus gesehen.
© Fondazione Ursula e Gunter Böhmer, Comune di Collina d’oro – Montagnola.

Das Forschungsprojekt Blick nach Süden geht der Frage nach, welche Bilder Italiens sich in die deutschsprachige fiktionale und Reiseliteratur der Schweiz seit 1861 eingeschrieben haben.

Mignons Italienlied aus Goethes Wilhelm Meister begründet in der deutschen Literatur einen mythischen Status Italiens - man nähert sich dem Land über lange Zeit mit deutlich idealisierenden Tendenzen. Zweihundert Jahre später erlebt ein Liebespaar in Die Ballade von Billie und Joe (1998) des Schweizer Autors Martin R. Dean seine Ankunft in Italien wesentlich prosaischer: «Sie fallen aufs Bett, bleiben gleich liegen und schauen sich italienische Seifenopern im Fernsehen an.» Das Italienideal ist zur trivialen Medienerscheinung geworden und zum Trip geschrumpft.

Die beiden literarischen Italien-Perspektiven trennen nicht nur zweihundert Jahre und eine zugleich banalisierende, realistische und kritisch reflektierende Tendenz der Moderne, sondern, so die These, auch eine Blickdifferenz, die durch die geographische, politische, kulturelle und literarische Situation der Schweiz und ihre Beziehung zu Italien bedingt ist. Solche spezifischen Sichtweisen auf Italien, die sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in der deutschsprachigen Literatur der Schweiz herausgebildet haben, möchte das Projekt Blick nach Süden untersuchen.

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