Quarto 51 / 2023, (Post-)Kolonialismus und Schweizer Literatur

Die 51. Ausgabe des «Quarto» untersucht die literarische Verarbeitung kolonialer Erfahrungen im Werk von Autorinnen und Autoren des Schweizerischen Literaturarchivs und fragt, welche Spuren die Debatten um einen Postkolonialismus in der Schweizer Literatur hinterlassen haben. Beiträge von heute Schreibenden schlagen den Bogen zu aktuellen Diskussionen über dieses wichtige Thema.

Entgleister Zug auf der Bahnlinie im Wald zwischen Leopoldville und Thysville; Arbeiter bei der Reparatur.
Umschlag von Quarto 51:
Annemarie Schwarzenbach,
«Bahnlinie Leopoldville-Thysville»

Die Schweiz hatte keine Kolonien und war doch direkt und indirekt beteiligt am europäischen Kolonialismus, ökonomisch, aber auch ideell und kulturell. Schweizerinnen und Schweizer reisten, lebten und arbeiteten in Kolonien – aus diesen kamen Güter, Gelder und Menschen mit ihren Erfahrungen in die Schweiz. Der Kolonialismus ist daher Teil der Geschichte der Schweiz. Wie hat er die Literaturen dieses Landes geprägt?

Ziel dieses «Quartos» ist es, in den Beständen des Schweizerischen Literaturarchivs den Spuren nachzugehen, die der Kolonialismus, aber auch die Bewegungen der Dekolonisation und die Debatten um einen Postkolonialismus hinterlassen haben. Den Fokus haben wir – aufgrund der Breite des Themas – auf die deutschsprachige Literatur gelegt, zudem auf Autorinnen und Autoren, bei denen eine direkte, meist mit Reisen, Aufenthalten und intensiven Lektüren verbundene Auseinandersetzung mit diesen Fragen stattgefunden hat. Das Ergebnis ist eine erste Bestandsaufnahme, die hoffentlich zu weiteren, vertieften Recherchen anregt. 

Schreibenden, die selbst Erfahrungen in Kolonien gemacht haben, widmen sich die Beiträge zu Isabelle Eberhardt, Hans Morgenthaler, Friedrich Glauser und Annemarie Schwarzenbach. Am Beispiel von Blaise Cendrars und Hermann Hesse wird dargelegt, wie das nach Europa gebrachte Wissen über fremde Kulturen die literarischen Darstellungsformen beeinflusst hat. Im Gefolge der Dekolonisation intensiviert sich seit den 1960er Jahren die kritische Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe, auch in der Literatur, wie sich bei Hugo Loetscher, Eveline Hasler und Urs Widmer zeigen lässt. Um die Nachwirkungen kolonialer Verstrickungen bis in die Gegenwart und damit die Aktualität des Themas herauszustellen, beschliessen drei literarische Beiträge diese Nummer.

Mit Beiträgen von Lukas Bärfuss, Stéphanie Cudré-Mauroux, Martin R. Dean, Jehanne Denogent, Jeroen Dewulf, Jan Gerstner, Lucas Marco Gisi, Isabel Hernández, Alexander Honold, Jonny Johnston, Fatima Moumouni, Dom Smaz und Elias Zimmermann.

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