Humor- und lustvoll, aber mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch engagiert sich Doris Stauffer (1934-2017) zeitlebens für Feminismus und Frauenbefreiungsfragen. In der NB sind ihre künstlerischen Arbeiten, ihre politisch und pädagogisch motivierten Reden, Texte, Kurse und andere Projekte, wie etwa die freche Badehosen-Aktion, dokumentiert.
Von Kathrin Gurtner
Grosse Diskussion um kleines Kleidungsstück
1978 beschliessen die Berner Justizbehörden, das «Entblössen der weiblichen Brüste» in Freibädern nicht mehr als strafbare Handlung gegen die Sittlichkeit zu verfolgen. Als Antwort darauf folgt aus konservativen Kreisen die Gründung der «Aktion für menschenwürdige Badeanstalten» und die Lancierung einer «Volksinitiative gegen die Verwilderung der Badesitten». Das «Volksbegehren gegen blutte Berner Busen», wie die ehemalige Migros-Wochenzeitung «Die Tat» am 13.06.1978 titelt, ist eine Steilvorlage für die Künstlerin und Aktivistin Doris Stauffer. Sie beschreibt im Rückblick auf ihr Leben, wie sie sich verausgabt, Reden gehalten, Artikel geschrieben, Demos organisiert und sich jederzeit und überall für Frauenrechte eingesetzt hat.
In einem scharfen offenen Brief wendet sie sich an die Redaktion der Zeitschrift «Elle» (Nr. 16/1978) und fordert in einer Gegenaktion «menschenwürdige Badehosen». Den Vorwurf, dass Frauen gegen die Sittlichkeit verstossen würden, verkehrt sie ins Gegenteil: Sie klagt Männer auf überspitzte Art und Weise an, «durch das aufreizende Zurschaustellen von Bärten, behaarten Körperteilen und primären Geschlechtsmerkmalen» in Badeanstalten aber auch im Alltag, das sittliche Empfinden von Frauen und Kindern zu verletzen. Sie fordert ein «sofortiges Verbot dieses Treibens». Ergänzend dazu kreiert sie mit ihren Mitstreiterinnen in der von ihr ins Leben gerufenen Frauenwerkstatt Collagen für originelle «männerwürdige Badehosen».
«Empanzipadoris»
Die so genannte Badehosen-Aktion ist nur eine unter zahlreichen unkonventionellen Interventionen, die Doris Stauffer initiierte. Ausgebildet an der Fotoklasse der Kunstgewerbeschule Zürich, heiratet sie jung den Künstler Serge Stauffer und ist im Alter von 25 Jahren bereits Mutter von 3 Kindern.
Zwar erschafft sie neben der Betreuung ihrer Familie Assemblagen aus Alltagsgegenständen, die sie verfremdet und in neue Realitäten verwandelt. Dennoch fühlt sie sich zunehmend frustriert über ihren Alltag und setzt sich ab 1969 verstärkt für Gleichberechtigung und Emanzipation ein, was ihr den Übernamen «Emanzipadoris» einträgt. Nach eigener Einschätzung bringt sie beträchtliches rebellisches Potential mit. Gleichzeitig plädiert sie für Humor im Kampf um Frauenrechte, der sich in ihren Performances und Kunstwerken niederschlägt.
Hexe und Lehrerin
Neben den politischen Aktivitäten ist Doris Stauffer pädagogisch tätig. Sie führt 1969 das Fach «Teamwork» in der Experimentierklasse Farbe und Form der Kunstgewerbeschule Zürich ein. Es geht ihr darum, Konkurrenzdenken abzubauen und individualistisches Schaffen durch Kollektivierung zu ersetzen. Sie bildet einen Klassenrat, lässt sich von ihren Studierenden duzen, fördert Gruppenprozesse und freie Improvisation. Diese Unterrichtsform wird von der Schulleitung nicht goutiert, so dass die Klasse 1970 geschlossen wird. Bereits im Februar 1971 wird auf privater Basis die F+F Schule für experimentelle Gestaltung eröffnet. Doris Stauffer kann fortan ihr feministisches Gedankengut ungestört einbringen und die Situation der Frauen im Kunstbetrieb in Workshops thematisieren.
An der F+F Schule schreibt Doris Stauffer ab 1977 Hexenkurse aus, in denen sie nur mit Frauen arbeitet. In den Kursen geht es um den Austausch von Erfahrungen, das Entwickeln von Selbstvertrauen, die Entdeckung von Kreativität. Es wird fotografiert, gefilmt, getanzt, erzählt. Die Kurse sprengen das Konzept der F+F Schule. Ab 1978 mietet Doris Stauffer einen Fabrikraum, wo sie die Hexenkurse in der so genannten «Frauenwerkstatt» weiterführt, die schliesslich für die Badehosen-Aktion verantwortlich zeichnet.
Doris Stauffer, 1934 in Amden geboren, 2017 in Zürich verstorben. In den 5oer Jahren ausgebildet an der Fotofachklasse der Kunstgewerbeschule Zürich, wird sie ab 1969 politisch aktiv und beteiligt sich an der Gründung der Zürcher Frauenbefreiungsbewegung FBB. Für die Kunstgewerbeschule entwirft sie unkonventionelle Vermittlungsformen und Lehrinhalte. 1971 ist sie Mitgründerin der F+F Schule für experimentelle Gestaltung (heute F+F Schule für Kunst und Design).
Literatur und Quellen
- Simone Koller, Mara Züst (Hrsg.): Doris Stauffer. Eine Monografie. Fotografin, Musikerin, Mannequin, Babyschwester, Erzieherin, Verkäuferin, Hausfrau, Hausfrau, Hausfrau, Hausfrau, Hausfrau – Demonstrantin! Scheidegger & Spiess, Zürich 2015.
- gespräch doris und serge stauffer über emanzipation. 1970. In: Helmhaus Zürich (Hrsg.): Serge Stauffer. Kunst als Forschung. Essays, Gespräche, Übersetzungen, Studien. Scheidegger & Spiess, Zürich 2013, S. 57–84.
- Doris, wie lernt eine Hexe? Doku-Film von Chantal Küng, 48 Min., April 2019.
Mehr zu diesem Thema
F+F 1971 – Online Archiv-Ausstellung zur Geschichte der F+F Schule
Letzte Änderung 20.09.2021
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