«In der Not frisst der Teufel Fliegen»

«Besser ein Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach.» Dieses Sprichwort gilt auch für unsere Nahrung. Während des Zweiten Weltkriegs musste die Schweizer Bevölkerung ihre Ernährung den verfügbaren Ressourcen und der Versorgung anpassen und einen Ersatz für fehlende Lebensmittel finden. Das galt insbesondere auch für Fleisch. Welche Lösungen fand man für dieses Problem?

Ab 1938 war die Schweiz von kriegführenden Nationen umzingelt und musste die wirtschaftliche Versorgung rasch neu organisieren. Das während des Ersten Weltkriegs überrumpelte Land war aber dieses Mal auf eine neue Krisensituation vorbereitet. Neben der Rationierung mit Lebensmittelkarten wurden vor allem in der Landwirtschaft weitere Massnahmen ergriffen: Der Plan Wahlen sah eine Ausweitung des Ackerbaus in der Schweiz vor, um die Selbstversorgung mit Lebensmitteln zu gewährleisten.

Das Foto zeigt Schweizer Rationierungsausweise (1939–1948). Auf diesen wird angegeben, welche Mengen an Nahrungsmitteln (Fleisch, Hülsenfrüchte, Hafer, Gerste, Nudeln) bezogen werden konnten.
Schweizer Rationierungsausweise (1939–1948)
© NB, Fabian Scherler

Handel trotz allem

Während des «Sitzkriegs» konnte die Schweiz den Handel mit anderen Ländern fortsetzen, wenn auch unter erschwerten Bedingungen. Die Niederlage Frankreichs hatte rasch Auswirkungen auf den Import. Durch Vereinbarungen sowohl mit den Alliierten als auch mit dem Dritten Reich konnte sich die Schweiz zwar weiterhin versorgen, musste aber Entbehrungen hinnehmen. Der Zugang zum italienischen Hafen von Genua blieb bis zum Sturz Mussolinis 1943 bestehen und ermöglichte die Versorgung mit Waren aus Übersee.

Eine Rationierung, die anhielt...

Das Rationierungssystem betraf das ganze Land und wurde je nach Verfügbarkeit der Lebensmittel angepasst. Bei seiner Einführung waren die Rationen für alle Einwohnerinnen und Einwohner gleich, unabhängig von deren Kaufkraft. Ab 1942 wurde jedoch eine «abgestufte» Rationierung eingeführt, die sich an der körperlichen Arbeitslast der einzelnen Personen orientierte. Dieses System wurde von einer Preisüberwachung begleitet, um übermässige Gewinne zu verhindern und Preiserhöhungen einzudämmen.

Die Regel von zwei fleischlosen Tagen pro Woche wurde im Mai 1942 eingeführt und ging der Rationierung von Fleischprodukten im November desselben Jahres voraus. Vor dem Beginn des Konflikts reichte die inländische Fleischproduktion aus, um den Schweizer Bedarf zu decken. Aufgrund der starken Abhängigkeit von immer seltener verfügbarem ausländischem Futter und der Ausweitung des Ackerbaus nahm die heimische Fleischproduktion jedoch ab.

Ersetzen, aber wie?

Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht liefert Fleisch Proteine, Vitamine und Spurenelemente, die nicht immer einfach zu ersetzen sind. Die Idee war deshalb nicht, Fleisch um jeden Preis durch andere Lebensmittel zu ersetzen, sondern weniger davon zu verwenden, ohne dabei beim Kochen den Geschmack und die Qualität des zubereiteten Gerichts zu reduzieren.

Von dieser Strategie zeugen die Rezepte der «Kriegsküche», die den Haushalten ermöglichten, mit den Rationierungen so gut wie möglich zurechtzukommen, ohne auf eine streng vegetarische Ernährung umstellen zu müssen. Obwohl empfohlen wurde, Fleisch durch Hülsenfrüchte, Käse und Vollkornbrot zu ersetzen, gab es auch Rezepte für panierte Mortadella-Scheiben, Leber (gebraten oder in Kroketten), geschmortes Huhn (mit dem Hinweis, dass sowohl junge als auch alte Hühner perfekt geeignet sind), Kohl mit Hackfleischfüllung oder Kanincheneintopf. Alle diese Rezepte waren fleischsparend und entsprachen der Lebensmittelrationierung. Neben der Kartoffel, einer wahren Berühmtheit, die fast täglich auf Schweizer Tellern zu finden war, genoss auch die Suppe ein hohes Ansehen und war beim Mittag- und Abendessen allgegenwärtig. Nicht alle Lebensmittel waren jedoch einer ständigen Rationierung unterworfen. Davon ausgeschlossen waren neben Kartoffeln auch Gemüse und Obst.

Das Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 ermöglichte eine langsame Rückkehr zur Normalität, mit einem schrittweisen Abbau der Rationierungsmassnahmen bis 1948.

Quellen und Rezepte

Letzte Änderung 17.06.2021

Zum Seitenanfang

Kontakt

Schweizerische Nationalbibliothek
SwissInfoDesk
Publikumsinformation
Hallwylstrasse 15
3003 Bern
Schweiz
Telefon +41 58 462 89 35
Fax +41 58 462 84 08
E-Mail

Kontaktinformationen drucken

https://www.nb.admin.ch/content/snl/de/home/recherche/r-monat/rationierung.html