Mina Hofstetter – Landwirtin und Feministin

Die Pionierin der viehlosen Landwirtschaft und des biologischen Anbaus Mina Hofstetter-Lehner interessierte sich für Fragen der Produktion und der Ernährung, verfolgte aber auch Themen wie Emanzipation und Wirtschaftsreform.

«Ich war noch nicht drei Jahre alt. An einem Sonntag sollte ich zum Mittagessen, wohl zum erstenmal in meinem Leben, Fleischsuppe essen. Ich kostete, legte den Löffel weg und weigerte mich. Mein Vater wollte mich zwingen, brachte es nicht fertig, und so erhielt ich die ersten Prügel in meinem Leben; ich spüre sie heute noch. Hätte ich nicht Angst vor noch mehr Prügeln gehabt, so hätte ich vielleicht nie Fleisch gegessen.»

Das Bild in Schwarzweiss zeigt zwei Frauen bei der Feldarbeit, im Hintergund einen See und weite Landschaft. Die ältere Frau links im Bild ist nach vorne gebeugt und führt mit Kraft eine Hacke zu Boden. Die rechts im Bild sehende jüngere Frau scheint die Bewegung gerade abgeschlossen zu haben und steht aufrecht mit der Hacke in der Hand. Beide Frauen sind konzentriert in die Feldarbeit vertieft.
Mina Hofstetter (links) mit Tochter bei der Arbeit, Entstehungszeitraum: 1930er Jahre
© Archiv für Agrargeschichte (AfA)

Mit diesen Worten erinnert sich die Vegetarierin und Pionierin der viehlosen Landwirtschaft Mina Hofstetter-Lehner (1883-1967) an eine prägende Erfahrung in ihrer Kindheit. Darin wurzeln zwei Einstellungen, die für ihren späteren Lebenslauf prägend sein sollten: Abscheu vor Fleischkonsum und vor rohen Machtverhältnissen. Später kristallisierten sich aus dieser Erfahrung drei konkrete Fragen heraus, die sie fortan begleiteten: «Warum sind wir krank? Warum müssen die meisten Menschen ihr ganzes Leben lang arbeiten und bleiben arm? Warum ist zwischen Mann und Weib ein Unaussprechliches, das in den Schmutz gezogen wird?».

Viehlose Landwirtschaft

Hofstetter liebte das Leben auf dem Land und fühlte sich besonders bei der Arbeit auf dem Feld wohl. Sie hatte jedoch eine Höllenangst vor Kühen und verachtete den Geruch des Stalls so sehr, dass sie keinen Bauern heiraten mochte, weil diese Männer eben auch nach Stall rochen. Sie liebte es zu säen und sich aufopfernd um das Gedeihen der Pflanzen zu kümmern. Während ihr das Säen im elterlichen Garten nur von der Grossmutter erlaubt worden war, ging sie auf dem eigenen Hof «Stuhlen» am Greifensee alternativen, aufwändigen aber viehlosen Anbaumethoden von Getreide nach und publizierte ihre Ergebnisse.

Vegetarismus, Freiland und Emanzipation

Ihr Wohlbefinden konnte die stets etwas kränkliche Frau mit einer Ernährungsumstellung auf vegetarische Rohkost erheblich verbessern. Durch Lektüre und persönliche Kontakte weitete Hofstetter in den 1920er Jahren ihr Interesse für die Lebensreformbewegung aus. Besonders mit dem Vegetarier, Abstinenten und Freigeldtheoretiker Werner Zimmermann verband sie eine enge Freundschaft. Zimmermann plädierte 1922 in seiner Schrift «Die Befreiung der Frau» für das Frauenstimmrecht und einen «Mutterlohn», der sich durch die Umlegung der Bodenrente auf die Allgemeinheit finanzieren sollte: die Frau solle sich nicht mehr durch «ewiges Bitten und Betteln von Haushaltsgeld» vom Gatten abhängig machen müssen. Vielmehr stehe «jedem Arbeitenden – auch der Hausfrau – der volle Arbeitsertrag» zu. Diese Idee nahm Hofstetter dankbar auf. Auch sie musste ihrem Gatten «Acker um Acker» abhandeln, weil er anfänglich nicht an den Erfolg ihrer Ackerbaumethoden geglaubt hatte. Bald einigten sie sich aber auf eine Arbeitsteilung auf dem Hof, bei welcher der Mann in der Scheune zusammen mit einem Sohn eine Schreinerei unterhielt und die Frau mit dem andren Sohn und den Gästen des Hofes die Landwirtschaft betrieb. 

Kurse, Vorträge und persönliche Kontakte

Diese Freiheit schätze Hofstetter sehr. Sie nutzte den Hof für praktische Kurse und Vorträge, um ihre Anbaumethoden zu vermitteln. Zu ihren Gästen zählten auch viele Prominente aus der Lebensreform- und der Frauenrechtsbewegung. Maximillian Bircher-Benner, der Ingenieur Konrad von Meyenburg sowie die Wiener Schriftstellerin Anna Helene Askanasy und die schwedische Feministin Elin Wägner besuchten den Hof Stuhlen, um bei Hofstetter zu arbeiten und zu diskutieren. Hofstetter selbst präsentierte die Resultate ihrer Arbeiten an der Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit SAFFA 1928 und hielt an einer Konferenz der «Women’s Organisation for World Order» 1937 in Bratislava einen Vortrag zum Thema «Weib–Erde–Frieden».

Trotz dieser internationalen Beziehungen und vielseitigen Interessen hat sich Hofstetter nie dauerhaft in einer politischen Organisation engagiert, sondern hat ihre Überzeugungen von der viehlosen Landwirtschaft und dem gleichberechtigten Leben konkret auf ihrem Hof einer interessierten Gemeinschaft vorgelebt.

Literatur und Quellen

Letzte Änderung 15.07.2021

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