Andreas Mauz fokussiert an Hand des Textes «Pilatus» von 1946 Dürrenmatts Auseinandersetzung mit der Religion.
In Dürrenmatts vielfältiger Beschäftigung mit der Religion bildet die erzählende wie essayistische Reflexion auf Jesus Christus einen bedeutenden Strang. Das wichtigste frühe Zeugnis dieser Auseinandersetzung ist die Erzählung Pilatus (1946, publ. 1952). Die Forschung hat sie zurecht als Dokument von Dürrenmatts lebensbestimmender Beschäftigung mit Kierkegaard präsentiert. Die Erzählung gestaltet die Begegnung zwischen Pilatus und Jesus als religiöse Tragödie.
Der Beitrag unternimmt es vor diesem Hintergrund, Pilatus konsequent als Exempel einer narrativen Christologie zu interpretieren. Dafür muss zunächst Dürrenmatts Umgang mit dem neutestamentlichen Prätext skizziert werden. In einem zweiten Schritt steht die Erzähltechnik im Zentrum. Mit narratologischen Mitteln ist zu rekonstruieren, wie die Erzählung als narrative Christologie im Detail funktioniert. Dabei liegt ein besonderer Akzent auf der Perspektivität des Erzähldiskurses. Aus der generellen hermeneutischen Maxime, «dass jede Auslegung durch die […] Perspektive des Auslegers geprägt ist und in dem Maße richtig verstanden wird, als diese mitverstanden wird» (Ingolf U. Dalferth), ergeben sich einige weiterführende Folgerungen. Aus der Feinmechanik des Erzählens lässt sich die globale Beschreibung des Textes als Glaubens- oder Nichtverstehenstragödie genauer fassen.
Zur Person: Andreas Mauz ist Literaturwissenschaftler und evangelischer Theologe. Er ist Mitherausgeber des Dürrenmatt-Handbuches, das im November im Metzler Verlag erscheint.
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