Vernissage durant ils Dis da Litteratura a Domat, 4-11-2017, a las 11h
«Weisse Flocken, weisse Flocken / schweben nieder fort und fort, / flatternd wie die Schmetterlinge / setzen sie sich hier und dort…», so beginnt das bis heute durch ein Kinderlied bekannte Gedicht L’Inviern / Winter (1845/1920) von Conradin de Flugi. Ob als leichter Schneefall oder Schneesturm, als glitzernder Schleier, atemberaubendes Gestöber oder von Spuren und Zeichen gezeichnete Decke, der Schnee verändert sich von einem Tag zum anderen und von einem Augenblick zum nächsten in seiner Erscheinung, Farbe und kristallinen Oberfläche, bis er dahinschmilzt und sich in gurgelnden Bächlein verliert.
Haben Schriftsteller aus den Bergen eine besondere Beziehung zum Schnee, den sie seit ihren Jugendtagen in vielfältigen Aspekten kennen? Der Schnee hat Fotografen, Künstlerinnen und Dichter seit jeher fasziniert, vielfältig sind die Ausprägungen des Schnee-Motivs in der älteren und jüngeren Literatur: vom ersten Schnee, der die Kinder zum Jubeln und die Alten zum Schaudern bringt, Wiese und Wald verformt und die Welt schwerelos macht, zum weichen Mantel, der Freud und Leid bedeckt, zum Jubel des Schlittenfahrens, zur Begeisterung der sportlichen Schnelligkeit und zur Leidenschaft des Alpinismus bis zum Grauen der Lawine und zum Tod, oder zu weissen Mauern, die Träume von Reisen in wärmere Länder wecken.
Die Lektüre weniger Schnee-Gedichte lässt, parallel zu den kontrastierenden Empfindungen, die das kristallisierte Element auszulösen vermag, seine variationsreiche Symbolik deutlich werden. Die eigentümliche, in zahlreichen Texten attestierte poetische Kreativität, die durch den Schnee evoziert wird, interessiert uns natürlich ganz besonders. Das Quarto «… in den Schnee geschrieben» ist dem weissen Staub gewidmet, wie er durch die Augen alpiner Dichterinnen und Erzähler verschiedener Sprachen gesehen wird. Während sich Autorinnen und Autoren aus drei Generationen vom «Wasser in einem etwas speziellen Agregat» dazu inspirieren liessen, ein neue Texte zu verfassen, haben Literaturwissenschaftler Zeichen, Figuren und Poetiken des Schnees in Erzählungen und Gedichten von zahlreichen rätoromanischen Autoren und von Giorgio Orelli, Maurice Chappaz und Gerhard Meier erkundet.
Dieses thematische Heft, das erstmals hauptsächlich von der bündnerromanischen Literatur ausgeht, ist mit schneereichen Fotos und Manuskripten aus Privatarchiven und aus Archiven und Nachlässen des SLA illustriert. Die heute nostalgisch anmutenden Aufnahmen kontrastieren mit einer Serie zeitgenössischer Reproduktionen: mit kaltem Auge inventarisiert der bekannte Bündner Fotograf Jules Spinatsch die Industrialisierung der Berge unter der technischen Beleuchtung weisser Arenen.
Wir laden Leserinnen und Leser zu einem zu einem Spaziergang durch den Schnee von gestern und heute ein.
Quarto, Revista da l’Archiv svizzer da litteratura, n°44 (november), Genevra, Éditions Slatkine, 2017.
CHF 15.-
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