Eugène Rambert und Émile Javelle: Verbunden im Schreiben und Bergsteigen

Die Berge, Quelle des Staunens und der Inspiration, spielten eine zentrale Rolle in der Freundschaft zwischen Eugène Rambert und Émile Javelle wie auch in ihren Schriften.

Von Sarah Bergamo

Eugène Rambert (1830–1886), Waadtländer Intellektueller und ein bekannter Repräsentant der Westschweizer Poesie des 19. Jahrhunderts, entdeckte seine Leidenschaft für die Berge bereits im Alter von elf Jahren, als er unter schweren Kopfschmerzen litt. Um diese zu lindern, begab er sich nach Rossinières, wo er drei Jahre lang seine Sommer verbrachte. In einem Notizbuch aus den späten 1840er-Jahren fertigte der junge Dichter mehrere von Alpenlandschaften inspirierte Skizzen an und hielt seine Eindrücke von einer Wanderung zwischen Bex und dem Val de Bagnes fest: «Das Tal ist durchgehend sehr malerisch, oberhalb der Brücke von Malvoisin erkennt man erstmals den Giétrozgletscher». Das Staunen über die Berge und ihre Inspiration stehen im Mittelpunkt von Ramberts literarischem Schaffen: Seine Gedichte und die spontan auf Wanderungen festgehaltenen Notizen bilden die Grundlage für einen Grossteil seines Werks, darunter die fünf Sammelbände mit Texten zu den «Alpes suisses» (1866–1875). Sein Freund und Schüler Émile Javelle (1847–1883), ein französischer Bergsteiger, der in Vevey lebte, tat es ihm gleich.

Rambert
Manuskript von «La Dent du Midi» und Heft mit Skizzen und Notizen von Eugène Rambert aus den späten 1840er-Jahren; handgeschriebener Brief von Javelle an Rambert vom 11. Januar 1876 (Foto: NB, Simon Schmid)

Javelle war ein begeisterter Leser des Waadtländer Dichters und liess sich bei der Wahl seiner Bergtouren von den Berichten seines älteren Bekannten leiten, insbesondere von jenem mit dem Titel «La Dent du midi», veröffentlicht im zweiten Band der «Alpes» (1866). Die Korrespondenz der beiden beginnt mit einem Brief des französischen Bergsteigers vom 17. März 1869. In diesem gesteht er Rambert, dass ein junger Mann, er selbst, ihn bewundere, «mehr noch, [...] Sie liebt [...]. Auf Ihren Spuren und dank Ihnen, Monsieur, ist er dem Tal des Bois-Noir gefolgt und hat mehr oder weniger den Cime de l’Est bestiegen; er hat oft die Salanfe aufgesucht und liest unaufhörlich die Seiten, die Sie diesem reizenden Ort gewidmet haben». Ramberts Bergliteratur führte Javelle in den Alpinismus im Waadtland und im Wallis ein: Mit der Besteigung des Matterhorns im Jahr 1870 (fünf Jahre nach der Erstbesteigung durch Edward Whymper) gelang ihm eine Meisterleistung. Innerhalb von weniger als zehn Jahren erklomm Javelle die höchsten Walliser Gipfel – etwa das Zinalrothorn oder die Dent Blanche – und erschloss das Trient-Massiv für Bergsteiger, indem er den Bau der Orny-Hütte förderte.

Wie Rambert machte sich auch Javelle bei seinen Aufstiegen zahlreiche Notizen mit Skizzen und veröffentlichte diese in der «Bibliothèque Universelle» oder im «Écho des Alpes». Die beiden unterhielten erst eine Lehrer-Schüler-, später eine freundschaftliche Beziehung. Javelle schickte Rambert viele seiner Texte, um sie von diesem beurteilen zu lassen. Dem kam der Dichter gerne nach: «Der zentrale Eindruck Ihrer Erzählung ist eine Art Leidenschaft für die Dent du Midi, eine einzigartige, einnehmende Leidenschaft [...]. Dieser Eindruck macht die Einheit und die Originalität des Stücks aus. Mehr braucht es nicht, um es von den meisten anderen Wanderberichten abzuheben, deren Monotonie langweilt.» (26. April 1870)

Die beiden Männer tauschten sich in ihren Briefen über zahlreiche Themen aus (Philosophie, Literatur, das Bergsteigen und den Schweizer Alpenverein, dem sie beide angehörten), bis Javelle im April 1883 an Tuberkulose verstarb. Ihre Freundschaft und gemeinsamen Interessen fanden ein letztes Mal Ausdruck in einer biografisch-literarischen Notiz, die Rambert 1886 im Buch «Souvenirs d’un alpiniste par E. Javelle» veröffentlichte. Es war eines der letzten Werke des Dichters vor seinem Tod im November des gleichen Jahres.

Eugène Rambert (1830–1886) war Professor für französische Literatur an der Académie de Lausanne und am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich. Er war Dichter, Novellist und Literaturkritiker und beschäftigte sich intensiv mit den Schweizer Schriftstellerinnen und Schriftstellern seiner Zeit, insbesondere in seiner Studie «Écrivains nationaux» (1874). Von ihm stammt auch die Gedichtsammlung «Les Gruyériennes», die 1888 posthum veröffentlicht wurde.

Letzte Änderung 19.02.2024

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