Januarspeck – Denn Fleisch geht uns alle an

Die winterlichen Festtage warten oft mit fleischreichen Menus auf. Doch warum ist das so, dass wir an Weihnachten und Sylvester gerne und viel Fleisch essen? Woher kommt diese Tradition?

War das lecker und gemütlich: Guter Wein, liebste Gesellschaft, leckere «Guetzli», und meist auch Fleisch, viel Fleisch: Rollschinken, Schweinebraten, Truthahn und «Fondue Chinoise». Wir haben freudig zugelangt, doch nachdem die Weihnachtsdekoration weggeräumt und der Zimtduft aus dem Wohnzimmer gelüftet ist, erblicken wir leicht beschämt die hinzugewonnenen Pfunde um die Hüfte.

Der Januarspeck ist die physiologische Folge der Völlerei. Doch wie kommt es, dass wir an Feiertagen so hemmungslos und vor allem so fleischlastig essen?

Die colorierte Zeichnung zeigt eine Familie an einem festlich gedeckten Esstisch. Eine Angestellte bringt gerade einen dampfenden und dekorierten Braten in das Zimmer.
Illustration aus «The Children’s Dickens: Stories selected from various tales» (1909), London: Henry Frowde and Hodder and Stoughton. Illustration von Gilbert Scott Wright

«Metzgete» im November

Die üppigen und fleischreichen Festgelage um die Weihnachtszeit haben eine lange Tradition. Bis ins 19. Jahrhundert versorgte sich die Landbevölkerung vorwiegend selber. Da das Schlachtvieh nicht durch den futterarmen Winter gebracht werden konnte, fiel die Schlachtzeit oft mit dem beginnenden Winter zusammen, vorzugsweise auf den Beginn des Wintermonats November. Dies war bereits ein üppiges Fest, das unter dem deutsch-schweizer Begriff «Metzgete» bekannt ist. Die «Metzgete» liess weite Teile der Dorfgemeinschaft zusammenkommen; sie sollten an der Verarbeitung der Schlachttiere teilnehmen. Dabei wurde das gesamte Tier verwertet: Blut wurde zu Würsten verarbeitet, und selbst die Schweinsblase wurde als Spielzeug für die Kinder aufbewahrt.

Schwein gehabt

Während der vorweihnachtlichen Fastenzeit von Mitte November bis Heilig Abend wurde oft ein Schwein aufgespart und gemästet. Dieses Weihnachtsschwein wurde dann kurz vor dem Fest zur Schlachtbank geführt und als festliche Speise nach der Fastenzeit verzehrt. Als besonders glücklich galt daher jener Bauer, der zu Weihnachten «Schwein hatte» − ein möglicher Ursprung der heutigen Redewendung. Zu den Festtagen herrschte aufgrund der saisonalen Schlachtpraxis also ein Überfluss an leicht verderblichem Fleisch, das rasch konsumiert werden musste und daher auch gerne mit den Mitmenschen geteilt wurde. Seit dem Mittelalter gehörte zudem die Almosengabe zum weihnachtlichen Brauch. Die Verbindung dieser Tradition mit dem Überfluss an Fleisch führte bereits früh zu den ausgiebigen, fleischlastigen Weihnachtsessen, die oft auch ärmere Haushalte miteinschlossen.

Fleischverzehr und Konsumlust in der Kritik

Mit dem aufkeimenden Vegetarismus im Zuge der Lebensreformbewegung des beginnenden 20. Jahrhunderts wurde erstmals zaghaft Kritik an den weihnachtlichen Fleischorgien laut. So nahm ein Autor in der Zeitschrift Berner Woche vom 21. Dezember 1935 Anteil an dem tragischen Schicksal, das tausende Gänse jedes Jahr vor Weihnachten ereilt.

In den 1970er und 1980er Jahren wurde generelle Kritik an Weihnachten als reiner Geschäftemacherei laut und eine enthemmte Konsumlust begeklagt. Konservativere Menschen sahen sich zu Unrecht kritisiert und forderten die Feier von «Weihnachten – trotz allem».

Und jetzt?

Wie würden unsere fleischverzehrenden Vorfahren auf unsere heutige Feiertagskultur schauen? Sie würden sich vermutlich ob der alljährlichen Scham wegen dazugewonnener Pfunde über die Festtage wundern. Und vermutlich wären Sie auch darüber erstaunt, dass wir den Festtagen in den jüngsten Jahren mit einer immensen kulinarischen Vielfalt begegnen, die vermehrt auch fleischlose und dennoch festliche Alternativen beinhaltet. 

Literatur und Quellen

Letzte Änderung 14.01.2021

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