8. August 1992. Goldjunge – Marc Rosset

Auf der Tennislandkarte ist die Schweiz ein schwarzer Fleck. Doch dann holt Marc Rosset an den Olympischen Spielen von Barcelona die Goldmedaille. 1992 beginnt der Aufstieg der Schweiz zur Tennisnation.

Ohne grosse Vorbereitung oder Ambitionen ist Marc Rosset an die Olympischen Spiele nach Barcelona gereist. Ein gewisses Staunen kann er selbst nicht verbergen, als er eine Tennisgrösse nach der anderen aus dem Turnier wirft und schliesslich den Lokalmatadoren Jordi Arrese in einem epischen Final niederringt. Es ist eine riesige Überraschung. Mit 21 Jahren ist Rosset Olympiasieger.

Damit schreibt Rosset Schweizer Sportgeschichte. Er gewinnt nicht nur die einzige Schweizer Medaille in Barcelona, sondern macht auch den Auftakt zu einer schier unglaublichen Erfolgsstory: Mit Jakob Hlasek erreicht er wenig später den Davis Cup-Final. Und schon bald treten Martina Hingis, Roger Federer, Stan Wawrinka und andere an, um das Schweizer Tennismärchen bis heute fortzuschreiben.

1992 ist eine Zeitenwende, auch im Sport. In den 90er-Jahren professionalisiert sich der Spitzensport. Es fliesst mehr Geld. Aus dem ehemaligen Ostblock strömt Know-how nach Westen und umgekehrt. Die Vermarktung wird intensiviert. Im Schweizer Tennis beginnt diese neue Ära am 8. August 1992, auf einem Sandplatz unter der brütenden Augustsonne Kataloniens.

Marc Rosset zu seinem Olympiasieg 1992:

NB: Was empfinden Sie, wenn Sie heute an Ihren Olympiasieg in Barcelona denken?
Marc Rosset: Ich bin stolz, stolz, stolz. Ich freue mich für die Schweiz. Ich habe den Davis Cup immer gemocht. Ich bin immer gerne für die Schweiz angetreten. Es ist kein persönlicher Stolz, sondern ein Stolz für die Schweiz.

Was ging Ihnen nach Ihrem Triumph durch den Kopf?
Direkt nach dem Matchball habe ich nicht einmal an den Sieg gedacht. Ich war nur froh, dass es zu Ende ist. Der Match hat über fünf Stunden gedauert. Ich konnte schlicht nicht mehr. Mein erster Gedanke war: Uff, es ist vorbei.

War Ihnen bewusst, dass die ganze Schweiz auf sie schaut?
Ich bin nicht dumm. 1992 gab es keine Medaille für die Schweiz. Also ist es klar, dass die Schweiz einen Seufzer der Erlösung ausstösst, wenn man die nächste Runde erreicht und dass man im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, wenn man um die Goldmedaille spielt. Aber im olympischen Dorf ist man ziemlich abgeschieden. Journalisten haben keinen Zutritt. In den Zimmern gibt es keine Fernseher. Auch Internetanschluss gab es damals noch nicht. Also wie soll man sich auf dem Laufenden halten über das, was geschrieben wird und passiert?

Welche Erinnerungen verbinden Sie mit den Olympischen Spielen?
Den sozialen melting pot, den Austausch mit den anderen Sportlern fand ich wunderbar. Persönlich verbinde ich ein spezielles Gefühl mit dieser Zeit. Bis heute kommen Leute zu mir und erzählen mir, was sie genau am Tag des Olympiasiegs gemacht haben. Es ist ein überraschendes Gefühl, einen Moment im Leben mit Menschen zu teilen, die man überhaupt nicht kennt.

Was denken Sie, wenn Sie sich diese Zeitungsartikel von 1992 aus unserer Sammlung ansehen?
Das erinnert mich natürlich an sehr schöne Dinge, aber es bringt mich auch ein wenig zum Lachen. Denn wenige Wochen vor den Olympischen Spielen bin ich am Turnier von Gstaad in der ersten Runde an Fabrice Santoro gescheitert, der immerhin ein guter und bekannter Tennisspieler war. In der Deutschschweizer Presse hiess es dann: Rosset, Schande der Schweiz. Die Artikel bringen mich zum Lachen, weil ich kurz darauf die Olympischen Spiele gewann. Für dieselbe Zeitung war ich dann der Sohn von Wilhelm Tell.

Was bedeutet es eigentlich, ein Olympiasieger zu sein?
Es war mir nicht klar, aber wenn du Olympiasieger bist, bist du Olympiasieger. Marc Rosset, Olympiasieger. Das ist ein tolles Gefühl. So einfach ist das.

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