Der Zürcher Schriftsteller Peter K. Wehrli blickt auf eine lange und eindrückliche Karriere als Filmemacher für das Schweizer Fernsehen zurück.
Von Benedikt Tremp
Eigentlich wäre Peter Konrad Wehrli, kurz PKW, in jungen Jahren gerne Theaterregisseur geworden. Schon als Kind verbrachte er viele Abende im Theater, liess sich etwa von Schillers «Räuber» in den Bann schlagen und veranstaltete eigene Aufführungen im Keller seines Elternhauses in Leimbach (Zürich). Die Passion für die Bühne lag in der Familie: Der Vater arbeitete beim Stadttheater (heute Opernhaus), die Mutter war als Sekretärin des Zürcher Theatervereins tätig.
Doch statt sich zum Bühnenregisseur ausbilden zu lassen, landete der Student schliesslich, und zu seiner eigenen Überraschung, beim Fernsehen. «Schuld» daran war Dada: Als Jugendlicher war Wehrli im Café Odeon in Zürich ein und ausgegangen und hatte dort regen Austausch mit Altdadaisten wie Walter Mehring oder Richard Huelsenbeck gepflegt. Dann plante das Schweizer Fernsehen einen Beitrag zum 50-jährigen Jubiläum der Bewegung im Februar 1966. Auf Anraten eines Kollegen bewarb sich Wehrli, erhielt den Zuschlag – und machte seine Arbeit so gut, dass er prompt eine Festanstellung als Kulturredakteur erhielt.
Es war der Beginn einer eindrücklichen Filmemacher-Karriere. Während mehr als vier Jahrzehnten zeichnete Wehrli für über 400 Produktionen verantwortlich, darunter unzählige Porträts gewichtiger Schriftsteller, Musikerinnen und Künstler. Seine Arbeiten fürs Fernsehen brachten ihn zusammen mit Persönlichkeiten wie Max Frisch, Bernhard Luginbühl, Paul Nizon, Robert Rauschenberg, Patti Smith oder Andy Warhol. Dabei wollte Wehrli nie als strenger Kritiker ihres Schaffens auftreten. Vielmehr sah er in seinem Kulturjournalismus eine Möglichkeit, sich für die geschätzten Künstlerkolleginnen und -kollegen zu engagieren.
So reich wie Wehrlis fertiges Filmerepertoire sind auch die materiellen Spuren, die dessen Produktion hinterlassen hat und die seit kurzem im Schweizerischen Literaturarchiv lagern. Tonspuren und Rohschnittmaterialien sowie grosse Mengen an Drehbüchern, Schnittplänen, Moderationstexten, Gesprächstranskriptionen, Recherchematerialien, Korrespondenz und Budgetaufstellungen machen die vielseitigen Abläufe der Filmarbeit Schritt für Schritt sichtbar. Besonders Plastisches findet sich in der Dokumentation zu Wehrlis erstem grösseren Film «Wenn die Steine reden könnten» (1975), der vom Wiederaufbau Warschaus handelt: Auf historischen Ansichten der Stadt ist deren Inszenierung mittels Kameraschwenk- und Zoombewegungen präzise von Hand vorgezeichnet.
Nachdem er jahrzehntelang andere Künstler und Künstlerinnen porträtiert hatte, ging Wehrli 2010 endlich auch das Wagnis ein, die Kamera auf sich umzudrehen. Dabei herausgekommen ist mit «‹Donnerwetter, das bin ja ich!› – Vorbereitungen zu einem Selbstporträt» ein fulminanter Film, der in sträflich knapp bemessener Zeit gefühlt alles Revue passieren lässt, was den Porträtierten in seinem Leben und Wirken geprägt hat: von seinem Weg zum Fernsehen über die bis heute andauernde Arbeit am «Katalog von Allem», Wehrlis ikonischem, literarischem Langzeitprojekt, bis hin zu seiner grossen Reiselust im Allgemeinen und Brasilien-Faszination im Besonderen.
Das Tempo, mit dem Wehrli durch seine Geschichte rauscht (und dabei sein Vorgehen regelmässig selbstironisch hinterfragt), verlangt dem Publikum viel ab. Wer sich in aller Ruhe in die unzähligen Feinheiten des Films vertiefen möchte, dem sei ein Studium der detaillierten Drehprotokolle wärmstens empfohlen.
Peter K. Wehrli feierte am 30. Juli 2024 seinen 85. Geburtstag. 1939 in Zürich zur Welt gekommen, studierte er daselbst und in Paris Germanistik und Kunstgeschichte. Neben seiner kulturjournalistischen Berufstätigkeit war er literarisch vielseitig tätig. Wichtige Buchpublikationen sind «Zelluloid-Paradies» (1978), «Tingeltangel» (1982) und «Eigentlich Xurumbambo» (1992). Seit mittlerweile über einem halben Jahrhundert ist Wehrli mit dem Erarbeiten seines «Katalogs von Allem» beschäftigt. Bereits wiederholt wurden Zwischenstände und Auswahlbände des Projekts in Buchform herausgegeben, u.a. in den Verlagen Albrecht Knaus (1999) und Ammann (2008) sowie auf Englisch, Portugiesisch und Spanisch.
Letzte Änderung 12.08.2024