Kapriolen eines Elefanten: Ein Zirkusplakat von Claude Kuhn

Es waren mitunter die Besten unter den Plakatgestaltern, die die Werbeplakate für den Schweizer National-Circus entwarfen. Neben jenen von Herbert Leupin oder Hans Erni existiert auch vom Berner Claude Kuhn, der nunmehr auf über 40 Jahre Gestaltung zurückblicken kann, ein Zirkus-Plakat. Die Hauptrolle spielt dabei ein sportlicher Elefant.

Von Isabelle Kirgus

Manege frei …

Knie
«Knie. Das Original», Plakat, 1996
© Claude Kuhn

Scheinbar schwerelos durchbricht er die Scheibe, stürzt kopfüber ins schwarze Nichts, ein Sprung ausserhalb von Zeit und Raum. Das tonnenschwere Tier hat für einen Moment sein Podest verlassen und schwebt... Er war einst der Alt und Jung begeisternde Hauptakt eines Zirkusbesuchs: der Elefant in der Manege! 

Seit 2016 ist der Elefant aus den Vorstellungen des Schweizer National-Circus Knie verbannt, aber Claude Kuhn hat ihm eine angemessene Würdigung verpasst. Auf seinem Plakat, das er 1996 entworfen hat, verleiht Kuhn dem behäbigen Grosstier eine Grazie, die beflügelt. Die Zirkusnummer der Elefanten – brav in der Manege den Kreis abgehend, oder: ein kurzer Stand auf zwei Hinterbeinen – erfährt bei ihm eine Wendung, eine Kapriole, die Freude macht. Dem Tiger gleich springt der Elefant durch den Feuerring, der zu einer gelben Scheibe reduziert wurde. Der Elefant beherrscht die Körperspannung und scheint dabei zu lächeln – er verkörpert hier die perfekte Aequilibristik der Artistik. So macht Zirkus Spass.

Entreacte

Knie
«Knie. Das Original», Plakatentwürfe und Studien, 1996 (Foto: NB, Simon Schmid)
© Claude Kuhn

Es sind solche Volten, Realitätsverdrehungen und visuellen Spässe, die den Berner Gestalter Claude Kuhn ein Leben lang angetrieben haben und die sicherlich zu seinem Erfolg beitrugen. Dass Kuhn für den Zirkus Knie ein Plakat entwarf, war quasi naheliegend – und es ist sehr schade, dass es nicht mehrere wurden. Die Welt des Staunens, aber auch: des doppelten Bodens, das ist seine Welt. 

Das für den National-Circus Knie zu entwerfende Plakat durchlief mehrere Stadien, die gut die Herangehensweise von Claude Kuhn zeigen: Auf eine farblich klar definierte Fläche platziert er verschiedene Formen, die in ein Zusammenspiel treten. Drei Varianten wurden durchgespielt mit drei verschiedenen Tieren: Das von der gelben Scheibe guillotinierte Zebra kam nicht in die engere Wahl, ebenso wenig wie der schwarze Seelöwe, der vom Hintergrund fast verschluckt wird. Der Elefant erweist sich innerhalb dieses Schemas in der Tat als die zufriedenstellendste Wahl. 

Der formale Aufbau – unter Integration des Texts «Knie» – ist so gelöst, dass das Plakat auch in der dreiteiligen Variante sehr gut funktioniert. Lesbar als «Knie» horizontal, über Kopf horizontal und mit Umbruch oben und unten auf dem Plakat. 

Reprise

Knochenschau
«Die grosse Knochenschau. Der Elefant ist ein Zehenspitzengänger», Plakat des NMBE, 2005
© Claude Kuhn

Viele verschiedene Tiere bevölkern Claude Kuhns Plakate, sie verschwinden und tauchen in neuen Kontexten wieder auf. Der Frosch und der Hase. Die Schlange und der Falter. Und auch der Elefant durchläuft verschiedene Stadien der Gestaltung in Kuhns Zoo der Motive. Als Exot innerhalb der mitteleuropäischen Fauna hat er natürlich einen besonderen Stellenwert. Und wurde von Claude Kuhns gestaltender Hand ganz besonders behutsam berücksichtigt: Er zeigt uns den schwergewichtigen Dickhäuter auch als eleganten Balletttänzer, der auf Zehenspitzen durch das Ausstellungsplakat des Naturhistorischen Museums Bern (NMBE) stolziert. 

Der Zehenläufer ist ja eigentlich der Akrobat, zumindest im Griechischen. Und es ist zu vermuten – und sicherlich kein Zufall –, dass der den Balletttanz beherrschende Elefant im Museum in Verbindung steht zum dynamisch springenden Elefanten des Zirkus’ Knie. Denn im Universum Kuhn ist alles möglich, und der Effekt ist garantiert.

Der «Jongleur der Formen» feiert 2023 seinen 75. Geburtstag!

Claude Kuhn (geboren 1948 in Bern); 1964–1968 absolviert Claude Kuhn den Vorkurs und die Ausbildung zum Dekorationsgestalter an der Schule für Gestaltung Bern. 1969–1971 Studium in Szenografie und freier Grafik an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und 1971–1972 Wissenschaftliches Zeichnen an der Schule für Gestaltung Zürich. Ab 1972 Arbeit am Naturhistorischen Museum der Burgergemeinde Bern, parallel dazu freischaffender Künstler und Artdirector / Gastdozent an den Hochschulen in Bern und Luzern in den Bereichen Design und Kunst. Claude Kuhn gewann diverse nationale und internationale Preise. Im Jahr 2017 schenkt Claude Kuhn der Graphischen Sammlung der Schweizerischen Nationalbibliothek seine komplette Plakatproduktion und weitere Archivalien wie Originalentwürfe und Flyer. Heute umfasst das Archiv Claude Kuhn rund 330 Plakate und Plakatentwürfe sowie künstlerische Grafik und Flyer. Das Archiv wird laufend ergänzt.

Literatur und Quellen

Letzte Änderung 08.08.2023

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