Der Berner Hans Eggimann war ein vielseitiger Künstler: Zunächst als Architekt tätig, wandte er sich ab 1910 zunehmend der Grafik zu. Besonders in der Technik der Radierung fand er zu einem unverwechselbaren Ausdruck und erlangte schweizweite, in der Gattung des Exlibris gar internationale Anerkennung. Eggimann gestaltete seine Druckgrafik detailreich und voller Fantasie – mal märchenhaft verspielt, mal von dunkler, nachdenklicher Stimmung – und immer wieder durchzogen von feinem, satirischem Humor.
Von Lisa Oberli

Das Selbstbildnis «Mein Atelier» von 1917, das auf einer fotografischen Vorlage beruht, zeigt Hans Eggimann im Arbeitskittel, tief konzentriert an seiner Kupferdruckpresse. Die Szenerie wirkt beinahe magisch: In Gedanken versunken betrachtet der Künstler einen Abzug seines kriegskritischen Blattes «Der Sieger» von 1915, während im Mittelgrund wie von unsichtbarer Hand ein weiteres Exemplar desselben Werks aus der scheinbar stillstehenden Presse fliegt. Auf dem Drucktisch ist gar die gravierte Kupferplatte zu erkennen, von der die beiden Drucke abgezogen wurden. Im Hintergrund finden sich einige Radierwerkzeuge, an der Wand hängen weitere Druckgrafiken Eggimanns: «Das Verlangen» (1910), «Die Verleumdung» (1911) und «Der Bürokrat» (1912) – Schlüsselwerke seines grafischen Œuvres der vergangenen Jahre. Durch die Einbindung rätselhafter Fabelwesen und eines grimmig äugenden Totenschädels verwandelt Eggimann sein Atelier in eine Bühne seines inneren Kosmos, Dämonen und Todesboten inbegriffen.

Auch das Blatt «Der „Radierer“» von 1910 zeigt eindrucksvoll den gewissenhaften, stillen Schaffensprozess des Druckgrafikers – diesmal jedoch von dessen Beginn her betrachtet: Dem zeichnerischen Entwerfen der Vorlage. Darauf ist ein junger Künstler im weissen Arbeitskittel zu sehen, der sich hingebungsvoll über eine quadrierte Zeichnung beugt, unter sich einen überquellenden Papierkorb voller unausgereifter Entwürfe – lauter materialisierte Selbstzweifel.
«Peintre-Graveur» und «Imprimeur»

Die Abgeschiedenheit künstlerischer Produktion, das Wechselbad zwischen sprudelndem Einfallsreichtum und nagendem Zweifel prägten Eggimanns grafisches Werk. Als einsamer Schaffer verantwortete er die Gestaltung seiner Druckgrafiken von der Idee bis zum Abzug vollständig selbst: Er fand das Bild, fertigte die Vorlage, radierte die Kupferplatte und druckte seine Arbeiten auch meist eigenhändig. Damit reiht er sich in die Tradition der sogenannten «Peintre-Graveurs» ein – jener Druckgrafiker, deren Werk durch eine besonders enge Verbindung von Idee, Entwurf und handwerklicher Ausführung geprägt ist.
Ob Eggimann das Radieren tatsächlich bei Albert Welti (1862–1912), dem damaligen «schweizerischen Meister der Nadel», erlernte oder diesen als Einzelgänger vielmehr tief bewunderte und sich von dessen fantasievollem Ideenreichtum inspirieren liess, bleibt offen. Unbestritten ist jedoch: Wie Welti wurde auch Eggimann von zeitgenössischen Kunstschaffenden oft als rückständig wahrgenommen – seine Werke galten als aus der Zeit gefallen und fanden mit ihrer Eigenwilligkeit wenig Anklang. In bestimmten Kennerkreisen wurde hingegen gerade diese unbeirrbare Eigenständigkeit geschätzt – als stiller Protest gegen die künstlerische Konformität. Wie sein grosses Vorbild Welti widmete sich Eggimann zudem der Kunstform des Exlibris und schätzte diese – dies im Unterschied zu Welti – ausserordentlich
Farbenpracht im Kleinformat

Zeit seines Lebens schuf Hans Eggimann insgesamt 97 verschiedene Exlibris – für sich selbst, sein Umfeld sowie im Auftrag von Privatpersonen und Institutionen. In ihrer bildnerischen und gedanklichen Dichte gleichen viele dieser kleinen Blätter künstlerischen Originalgrafiken. Auffällig ist Eggimanns experimentierfreudiger Umgang mit Druckfarben: Von nahezu allen Bucheignerzeichen – insbesondere jenen in den Tiefdrucktechniken Radierung und Aquatinta – existieren Abzüge in mehreren Farbvarianten, die sich mitunter nur in Nuancen, teils aber deutlich voneinander unterscheiden. Die Vielzahl farblich variierender Abzüge zeigt, dass Eggimann die Einfärbung seiner Tiefdruckplatten wohl selbst als gestalterisches Feld verstand. Durch die unterschiedliche Farbgebung wurden seine Exlibris mitunter zu kleinen Unikaten – ein Umstand, der ihren Reiz und Sammlerwert zusätzlich steigerte. So gelangen wir zurück zum eingangs erwähnten Selbstporträt: Mit der darin integrierten Tiefdruckpresse offenbart sich Eggimann nicht nur als Radierer, sondern auch als farbgewandter Drucker – ein Bild, das sein Selbstverständnis als Druckgrafiker eindrücklich wiedergibt.
Hans Eggimann (1872–1929) war ein Berner Architekt, Maler und Grafiker. Nach Studien in Dresden und Paris arbeitete er am Bau der Berner Kornhausbrücke und bei der Innenausstattung des Parlamentsgebäudes mit. Ab 1919 widmete er sich verstärkt der bildenden Kunst, insbesondere auf dem Feld der Radierung. Er schuf zahlreiche Werke mit fantastischen und satirischen Inhalten, darunter Exlibris, die internationale Anerkennung fanden. Eggimann war Mitbegründer der satirischen Zeitschrift «Berner Bärenspiege». 1929 nahm er sich das Leben.
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Letzte Änderung 29.07.2025
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