Ist der Frauenstreik ein Streik?

Frage eines Gewerkschafters

Überall hört man derzeit von Streiks. Ist es aber eigentlich nicht so, dass Streiks vor allem Mittel eines kollektiven Arbeitskampfes sind und der Begriff heutzutage stark verwässert wird?

Demonstrationszug streikender Frauen mit Transparenten und lila Ballonen
Schweizer Frauenstreik 1991, Kundgebung in Zürich, Comet Photo AG (Zürich)

Gemäss dem Historischen Lexikon der Schweiz (HLS) wird «unter Streik die kollektive Verweigerung von vertraglich vereinbarter abhängiger Arbeit zur Durchsetzung bestimmter Arbeitsbedingungen verstanden». Nicht unter den Begriff fallen Schülerinnen und Schüler, Studierende, selbstständig Erwerbende und Menschen, die nicht in einem formellen Arbeitsverhältnis stehen.

Allerdings beruht diese Definition auf einem überholten Arbeitsverständnis. Denn nicht nur Arbeit gegen Bezahlung ist gesellschaftlich relevant. Es war beispielsweise das Ziel des Frauenstreiks von 1991, die unentbehrlichen aber unbezahlten oder unterbezahlten Leistungen der Frauen sichtbar zu machen. In der damaligen medialen Berichterstattung sei der Frauenstreik aber weitgehend verniedlicht und zu einem «lila Strauss von Happenings» degradiert worden, so die Kritik an der Berichterstattung. Demgegenüber hätten die politischen Forderungen betreffend Lohngleichheit, Gleichberechtigung in den Sozialversicherungen, die gesellschaftlich angemessene Würdigung von Hausarbeit und die Ahndung von Gewalt in der Ehe in den damaligen Medienberichten meist nur am Rande Platz gefunden. Das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO hat den Streik statistisch nicht erfasst, da offiziell nur Streiks mit wirtschaftlichem Charakter gezählt werden. In der Bundesverfassung findet der Begriff «Streik» erstmals mit der Revision von 1999 Eingang, als sich das traditionelle Verständnis des Begriffs bereits einem Wandel gegenübersah.

Die Frage nach dem Begriff «Streik» kann also durchaus ein Politikum sein und führte im Falle des Frauenstreiks 1991 an den Kern der zu verhandelnden Anliegen. Ähnlich sehen sich die Schülerinnen und Schüler, die heutzutage regelmässig für griffigere Massnahmen gegen den Klimawandel streiken, mit der Frage konfrontiert, ob ihre Motive das Fernbleiben vom Unterricht rechtfertigen.

Sowohl Frauen als auch Schülerinnen und Schüler bringen unter der Kategorie «Streik» neue politische Anliegen zum Ausdruck. Es stellt sich die Frage, ob die Begriffe «Streik» und «Arbeit» nicht neu gedacht werden sollten, um im politischen Diskurs heutigen gesellschaftlichen Realitäten gerechter zu werden.

 

Weitere Quellen zu der Thematik finden sich zudem im Schweizerischen Sozialarchiv in Zürich.

 

Letzte Änderung 04.04.2019

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