Als «Gedächtnis der Schweiz» sammelt, erschliesst, konserviert und vermittelt die NB auch die Schweizer Zeitungen. So lässt sich zu Schneekanonen recherchieren und die Anfangseuphorie in den frühen Berichten nachempfinden. Parallel dazu empfiehlt sich ein Besuch der Ausstellung in der NB, wo die Geschichte des Schnees nachgezeichnet wird.
«[…] Es ist noch nicht allzu lange her, dass die ersten in die unbekannte Winterwelt eingedrungen sind und erzählt haben von einer nie geahnten Welt voll Wunder und Schönheit. […] Und heute? Wie verändert das Bild. Was einst das Vorrecht einiger weniger gewesen, ist heute zum Gemeingut des Volkes geworden. Riesengross ist die Schar jener angewachsen, die jeden freien Tag benützen, um mit den flinken Bretteln hinauszueilen, nach Winterglück und Freude zu haschen!» (Roelli, in: Es leuchtet der Schnee / Ein Werk von der Schönheit des Winters in Bild und Wort. 1934, S.63.)
Schneebedeckte Skipisten sind heute Teil der helvetischen Alpenidentität. Damit aber das Gemeingut entsteht, müssen meteorologische Bedingungen erfüllt sein, die der Mensch nicht beeinflussen kann. Bleibt der Naturschnee aus oder lässt er auf sich warten, gerät der Wintertourismus ins Stocken.
Bangen auf Schnee ist aber Schnee von gestern, denn die Technik hat einen Ausweg aus der Mangelsituation gefunden. Seit den 1960er-Jahre kann das weisse Wunder mit sogenannten Schneekanonen technisch erzeugt werden: Winterglück auf Knopfdruck.
Petrus den Kampf angesagt
In den Medien ist die technische Beschneiung kontrovers aufgenommen worden. Dies zeigt eine Recherche in e-newspaperarchives.ch, der Plattform für digitalisierte Schweizer Zeitungen. Anfänglich ist die Reaktion in den Zeitungen euphorisch. Der Bund vom 12. Dezember 1962 berichtet über den Skiort Chalet-à-Goblet. Dort werde bereits seit einiger Zeit auf künstlichem Schnee skigefahren. Der schönste Pulverschnee könne dorthin verteilt werden, wo man sich den «weissen Segen» wünsche. «Petrus ist der Kampf angesagt», heisst es am 4. Januar 1971 in derselben Zeitung, nachdem Schnee aus Schneekanonen für Grindelwalds Slalomhang «hergezaubert» wurde. Am 20. Februar 1971 berichtet der Walliser Bote vom Test der «Dicken Bertha» für das Skigebiet in Saas Fee: «Die Schneekanone ist in der Lage, in einer Stunde nicht weniger als 500 Quadratmeter mit einer fünf Zentimeter dicken Schneeschicht zu bedecken.» Aus Flaine (Frankreich) berichtet der Walliser Bote vom 24. Dezember 1973 über die «neuste Attraktion im Wintergeschäft», einer 2,5 Km langen Abfahrtspiste, die dank 10 Schneekanonen für mindestens 200 Tage pro Jahr einwandfreie Skisportverhältnisse garantiere. Finanziert wurde dieses Projekt vom Multimillionär Eric Boissonnas. In Savognin sorgen die «Neivists» auf der ersten Gross-Schneeanlage Europas für den «zuverlässigen, körnigen und griffigen» Schnee, schreibt der Walliser Bote am 7. Januar 1981.
Schneekanonen – ein weiterer Naturersatz?
Allmählich stösst die Euphorie über das «Frau Holle spielen» auf Gegenrede. Nun kommen auch finanzielle und ökologische Aspekte des Kunstschnees zur Sprache. Pro Surlej, eine Vereinigung für den Landschaftsschutz im Oberengadin, veröffentlichte in der Engadiner Post vom 10. Dezember 1985 einen Artikel mit dem Titel «Schneekanonen – ein weiterer Naturersatz?». Darin fordert Pro Surlej eine verbindliche Regelung für den Einsatz von Schneekanonen und weist unter anderem darauf hin, dass die Auswirkungen des Kunstschnees auf die Natur noch zu wenig bekannt seien. In den 1990er-Jahren manifestiert sich die Schneekanonenkritik in den Zeitungsbeständen immer markanter.
Schnee. Das weisse Wunder
Für die Realisierung der aktuellen Ausstellung «Schnee. Das weisse Wunder» ist Ausstellungskurator Hannes Mangold auf die Suche nach Schneekanonen gegangen und sagt, was aus der Anfangseuphorie geworden ist:
«Mit der fortschreitenden Klimaerwärmung werden künstliche Alternativen zum Naturschnee immer wichtiger. Auch Snowfarming-Projekte werden immer wichtiger. Dieses Jahr fanden in Peking die ersten Olympischen Winterspiele statt, die zu 100 Prozent mit technischem Schnee bestritten wurden. Kontroversen darüber waren den Medien zu entnehmen, denn inzwischen ist man sich dem Kunstschnee-Dilemma bewusst: Der hohe Energie- und Wasserbedarf für Anlagen für die technische Beschneiung ist problematisch für die Erreichung der Klimaziele, aber ohne wäre der alpine Wintertourismus kaum mehr zu stemmen. Was heute allgemein bekannt ist, haben Umweltverbände schon vor Jahrzehnten moniert. Nicht nur in Zeitungen, sondern auch in Vereinsschriften, in Hochschulschriften oder auch in archivierten Webseiten, kann zu diesen Aspekten in der NB recherchiert werden.»
Literatur und Quellen
- Der Bund, Band 113, Nummer 531, 12.12.1962, Ausgabe 2.
- Der Bund, Band 122, Nummer 1, 4.1.1971.
- Engadiner Post, Band 92, Nummer 143, 10.12.1985.
- Walliser Bote, 20.2.1971.
- Walliser Bote, 24.12.1973.
- Walliser Bote 7.1.1981.
- Roelli, Hans et al. Es leuchtet der Schnee / Ein Werk von der Schönheit des Winters in Bild und Wort. München: Bergverlag R. Rother (1934).
Letzte Änderung 20.04.2022
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