Auf der Suche nach Himmelsboten auf Schweizer Terrain

Im August können in den späten Nachtstunden am nordöstlichen Himmelszelt Meteoriden bei Ihrem Flug beobachtet werden. Welche materiellen, literarischen und mythischen Spuren haben die Himmelskörper in der Schweiz hinterlassen? Die NB ist den Geschichten dieser kosmischen Boten in digitalisierten Zeitungsbeständen nachgegangen.

Die Abbildung zeigt zwei karierte Schulheftseiten von Friedrich Dürrenmatt ca. aus dem Jahr 1930. Auf der linken Seite sind die Namen der Sterne und Sternbilder sowie anderer Himmelsphänomene in Schweizer Schulschrift mit Bleistift vermerkt. Unter den Namen befindet sich auch Perseus. Die Perseiden sind ein alljährlicher Meteorstrom, der im Juli und August aus dem Sternbild Perseus hervorzuquellen scheint. Auf der rechten Heftseite sind die zur Legende gehörenden Sternkonstellationen gezeichnet.
Friedrich Dürrenmatt: Schulheft mit Sternenzeichnungen – Doppelseite 2
© CDN/Schweizerische Eidgenossenschaft

Die Sternwarte Mirasteilas in Falera (GR) sichtet monatlich bis zu 900 Meteoroiden. Meteoriden sind Himmelskörper, die sich noch ausserhalb der Erdatmosphäre bewegen. Bisher wurden elf Meteoriten-Niedergänge in der Schweiz bestätigt. Täglich prasseln etwa 1000-6500 Tonnen Material auf unseren Planeten nieder. Bei dieser Menge ist es erstaunlich, dass Meteoriten nur relativ selten materielle Spuren auf der Erde hinterlassen. Hingegen haben Metoriten schon immer den menschlichen Geist beflügelt.

Fake Meteoriten und literarische Inspiration

Die Bedeutung, welche die Menschen, den hellen Himmelsgeschossen zuwiesen, waren schon immer widersprüchlich: Manche sahen in Ihnen göttliche Lichtfunken, andere fürchteten sie als Unheilbringer oder sahen in ihrem Auftreten gar ein Indiz dafür, dass einem «der Himmel auf den Kopf fallen» könne.

Dürrenmatt Meteor
Friederich Dürrenmatt, Ausschnitt aus
«Unheilvoller Meteor», 1980, Gouache
auf Karton
© CDN/Schweizerische Eidgenossenschaft

Ein mythisches Aufleuchten aus dem Himmel ist in der Schweiz aus dem Jahr 1421 überliefert: Der Bauer Stämpfli erblickte bei Rothenburg eine feuerspeiende Drachengestalt am Himmel. Angeblich liess der Drache etwas zur Erde fallen. Vor Schrecken fiel Bauer Stämpfli in Ohnmacht. Als er wieder zu sich kam, fand er neben sich einen runden Stein mit einem speziellen Muster: den Luzerner Drachenstein. Allerdings handelt es sich hierbei wirklich nur um einen Mythos und der Stein konnte inzwischen als falscher Meteorit entlarvt werden.

Die Himmelskörper haben ihre Spuren in der Schweizer Kunst- und Literaturlandschaft hinterlassen. Friedrich Dürrenmatt beschäftigte sich beispielsweise bereits in seiner Schulzeit mit Astronomie. Später erachtete er in seinen Werken das Einschlagen eines Meteors als Metapher für das Unerwartete und Unberechenbare. 

Himmelspuren auf Schweizer Boden

Doch normalerweise gestaltet sich das seltene Aufeinandertreffen von Menschen und Meteoriten durchaus profaner: Während eines Schulausflugs im Sommer 1959 fand Reto Merlo aus Grüningen (ZH) einen 4,87g leichten Stein auf dem Chasseron (VD). Er klebte ihn auf ein Stück Holz und bewahrte ihn bis 2017 auf. Nachdem er über Meteoriten gelesen hatte, schickte er den Stein an das Naturhistorische Museum Bern (NMBE), von wo er an die Université de Lausanne übertragen wurde. Der Stein war ein farblich äusserst schöner Meteorit.

An einem Nachmittag im Jahr 1856 standen westlich der Unteren Rafrüti (Emmental) die Jäger Gottlieb Fankhauser und Joseph Aeschlimann. Plötzlich fuhr mit starkem Lichtschein und gewaltigem Knall etwas durch die Luft an ihnen vorbei. Erst dreissig Jahre nach diesem Ereignis fand Andreas Zürcher, der Pächter der Alp, ein rund 18kg schweres Etwas, einen Teil des Meteors, der 1856 zur Erde gedonnert und in der Atmosphäre auseinandergebrochen war  Er glaubte, ein Fragment einer grossen Kanonenkugel aus der Übergangszeit zwischen Mediation und Restauration gefunden zu haben. Er erhitzte das Objekt hin und wieder in kalten Wintern im Herdfeuer und nutzte es, um das Wasser der Viehtränke zu temperieren oder als eine praktische Bettflasche. Im Sommer 1900 besuchte ihn der Sekundarlehrer Widmer. Dieser vermutete, dass die Kugel ein Meteorit sein könnte, und schickte den Brocken ins NMBE. Erst 16 Jahre nach dem Auffinden wurde die wahre Natur der vermeintlichen Munition enthüllt.

1984 fand die Landwirtin Margrit Christen beim Pflügen einen 16kg seltsam schwer anmutenden Stein im Gebiet Gruebmatt (BE). Dabei handelte es sich um einen Teil des sogenannten «Twannberger» Meteorits. Laut Beda Hofmann vom NMBE ist dieser vor ungefähr 165’000 Jahren vom Himmel gefallen und zersplittert. Er müsste 1000 Tonnen gewogen haben, allerdings hat man bis heute erst 150kg gefunden.Bis 2022 konnten 1602 Proben aus dem Twannberg-Streufeld sichergestellt werden. Besonders in den Nullerjahren zog die Berichterstattung um den «Twannberger» sehr viele freiwillige Meteoritensuchende und Medienleute in die Region, sehr zum Leidwesen der ansässigen Landwirte.. Für die Wissenschaft war die Entdeckung der Grösse des Streufeldes allerdings eine Sensation.

Diese und viele weitere Geschichten zu den Schweizer Meteoriten können zeit- und ortsunabhängig auf e-newspaperarchives.ch, der Open-Access-Plattform für digitalisierte Zeitungen aus der Schweiz, nachgelesen werden. Das Himmelszelt der Perseiden ist alljährlich vom 17. Juli bis 24. August «frei zugänglich» und kann zu weiteren Geschichten anregen.

Literatur und Quellen

Letzte Änderung 17.08.2023

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