Helvetia! Repräsentationsfigur und Landesmutter der Schweiz

Vor allem zu Beginn des schweizerischen Bundesstaates – dessen 175-jähriges Bestehen wir im Jahr 2023 feiern – fand die Figur der Helvetia grosse Verbreitung in bildlichen Darstellungen aller Art. Die umfangreiche Sammlung von Hans Rudolf Scheidegger zeigt die ganze Bandbreite verschiedenartiger Helvetia-Motive.

Von Beat Scherrer

Helvetia
Helvetia auf Briefköpfen und Firmenschildern (Sammlung Hans Rudolf Scheidegger; Foto: NB, Simon Schmid)

Helvetia auf Briefmarken, Helvetia auf Briefpapier, Helvetia als Firmenname, Hotels und Restaurants mit Namen Helvetia, Helvetia auf Gebäudeversicherungsschildern, Helvetia auf Ansichts- und Glückwunschkarten, Helvetia als karikierte Figur, Helvetia in der Plakatwerbung, Helvetia als Trostspenderin und Beschützerin… Unzählige Helvetia-Darstellungen sind in 24 Alben versammelt, die der Privatsammler Hans Rudolf Scheidegger zusammengetragen, geordnet und fein säuberlich eingeklebt hat. 

Wer oder was ist die Helvetia eigentlich?

«Personifizierte weibliche Repräsentationsfigur der Schweiz», lesen wir im Historischen Lexikon der Schweiz. Weiter schreibt Georg Kreis dort, dass man zwei Varianten der Helvetia unterscheiden kann: Die eine steht relativ neutral für die Schweiz als geografischer Raum, die andere repräsentiert die im Entstehen begriffene Nation Schweiz. 

Als erste ikonografische Helvetia-Darstellung gilt jene von 1642 auf dem Titelbild von Matthäus Merians «Topographia Helvetiae». Sie ist mit Attributen aus dem Landbau, die vor allem Reichtum symbolisieren, versehen und noch rein geografisch zu verstehen. Zu Beginn musste sie ihre Rolle noch mit männlichen Figuren teilen, doch im 18. Jahrhundert setzten sich zunehmend die weiblichen durch: Nebst der Helvetia waren dies auch andere antike Frauengestalten.

Mit dem wachsenden Nationalbewusstsein im 19. Jahrhundert und insbesondere im Zusammenhang mit der Begründung des schweizerischen Bundesstaates 1848 wurde die Helvetia zunehmend politisch vereinnahmt. Sie erhält nun Waffen (Speer oder Schwert) und ein Wappenschild als Attribute. Der eben erst inaugurierte Bundesstaat übernahm neue hoheitliche Aufgaben, welche bisher in der Zuständigkeit der einzelnen Kantone lagen und nun vereinheitlicht werden mussten. Vor allem aber musste der Staat auch in den Köpfen der Bevölkerung, welche sich bisher primär mit ihrem jeweiligen Kanton identifizierte, verankert werden. Zudem wollte man die Idee der Schweiz als Nation fördern. Dadurch wurde die Figur der Helvetia sozusagen zum Gesicht der neuen Schweiz. 1850 wurde die erste Münze mit der Figur der Helvetia herausgegeben und 1854 erschien sie erstmals auf einer Briefmarke. Auch der offizielle lateinische Name für die schweizerische Eidgenossenschaft – Confœderatio helvetica (CH) – zeugt vom zunehmenden helvetischen Bewusstsein.

Helvetia überall

Helvetia
Ansichtskarten mit Helvetia als Patronin (Sammlung Hans Rudolf Scheidegger; Foto: NB, Simon Schmid)

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebten die Darstellungen der Helvetia einen wahren Höhenflug. So entstanden zum Beispiel ganze Serien von Ansichtskarten mit dem Bild verschiedener Ortschaften, «behütet» von Mutter Helvetia. Immer wieder erschien die Helvetia auch als Patronin bei Jubiläen oder einfach als Figur auf Briefköpfen und Logos, dies oft auch, ohne dass sie beim Namen genannt wurde. Zunehmend bedienten sich auch Vereine und Institutionen des Namens und es entstanden nach und nach – nebst Hotels und Restaurants – Firmen wie Helvetia-Nähmaschinen, Helvetia-Zigarren oder die Helvetia-Feuer-Versicherung, (Dampf-) Schiffe namens Helvetia, eine Gewerkschaft sowie Musikgesellschaften und Chöre mit Helvetia im Namen. 

Vom Ersten Weltkrieg bis heute

Helvetia
Helvetia als Trostspenderin und Hoffnungsträgerin während des Ersten Weltkrieges (Sammlung Hans Rudolf Scheidegger; Foto: NB, Simon Schmid)

Während des Ersten Weltkrieges stand die Helvetia dann oft für die guten Dienste der Schweiz und als Trostspenderin und Hoffnungsträgerin während dieser Zeiten der Not. Davon zeugen die vielen Ansichtskarten, welche zur «moralischen Aufrüstung» der Bevölkerung und der Armeeangehörigen gedruckt und breit gestreut wurden. Die Helvetia erscheint dort als Soldatenmutter, als Mutter hungernder Kinder, als Betreuerin von Flüchtlingen und Internierten, als Krankenschwester und als Überbringerin von guten Wünschen zu Neujahr und zum 1. August.

Nach dem Ersten Weltkrieg verschwinden die Helvetia-Motive zusehends. Heute begegnet uns die Helvetia vor allem noch auf den 50 Rappen- sowie den 1- und 2 Franken-Münzen (deren Darstellung übrigens seit 1874 unverändert ist!), und auch die Kennzeichnung «Helvetia» auf den Briefmarken besteht weiterhin. Ansonsten treffen wir die Helvetia in der modernen Bildsprache nur noch sporadisch an – zum Jubiläum des Bundesstaates erhielt sie nochmals Platz auf einer Briefmarke.

Hans Rudolf Scheidegger (1939–2020), aus dem Berner Seeland, Lehre als Fernmeldeelektroniker, später Tätigkeit als Servicetechniker in diversen Firmen. Seit den 1970er-Jahren Sammeltätigkeit, nebst der hier vorgestellten Sammlung von Helvetia-Darstellungen insbesondere Aufbau einer grossen Sammlung von Radiogeräten (heute im Museum ENTER Solothurn) und einer grossen Briefmarken-Sammlung.

Literatur und Quellen

Letzte Änderung 07.02.2023

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