Das Chalet ist ein Symbol für eine einfache, naturverbundene, freie und demokratische Schweiz. Es verzaubert auch ausländische Reisende. Auf der Suche nach diesem Sehnsuchtsort trifft man in den Sammlungen und der Ausstellung «Chalet. Sehnsucht, Kitsch und Baukultur» (10. März – 30. Juni 2023) der NB auf Überraschungen.
Hoch oben, den Berggipfeln ganz nah, umringt von immergrünen Wäldern, da steht es – mein Chalet. Das Gedicht «Mon Tsalet» ist eine Hommage an das Chalet in Waadtländer Patois:
[…]
Lâi passe mè momeint lè pye bî
Et mè z’hâorè lè pye ballè,
Lyein dâi couson, lyein dâo traffi,
Per ice, dein mon petit tsalet.
[…]
(Dort verbringe ich die schönsten Momente und die schönsten Stunden, frei von Sorgen und abseits vom Verkehr – hier in meinem Chalet.)
Das Ewige Swiss Chalet
Nicht nur regional, sondern auch national und international ist der aus der Westschweiz stammende Begriff Chalet bekannt. Und nicht nur Gedichte loben dieses Bauwerk. So zitiert die Architekturzeitschrift Das Werk eine Buchrezension wie folgt: «Ohne Übertreibung kann das Chalet mit den Baudenkmälern Roms, Frankreichs und Italiens auf eine Stufe gestellt werden.» Das stereotype Schweizer Chalet erfreute sich im 19. Jahrhundert einer steigenden Popularität und wurde zum internationalen Exportschlager. Infolge seiner baulichen Eigenschaften eignet sich das Chalet ideal für die halbindustrielle Vorfertigung und den Versand der Einzelteile. Das Ewige Chalet als Bausatz fand so seinen Platz auf der ganzen Welt.
Das fürstliche Chalet
Um 1895 lieferte die Firma Kuoni & Cie aus Chur dem Fürsten Tokugawa ein Swiss Chalet nach Japan. Das imposante Gebäude, das Chalet Tokugawa, erinnert mehr an einen Palast und dennoch spiegelt sich die typische Chaletkonstruktion mit den Holzbalken wider. An der Landesaustellung 1896 in Genf erhielt die Churer Chaletfabrik damit eine Silbermedaille.
Das armierte Chalet
Anlässlich des 150-jährigen Bestehens der Basler Versicherungen im Jahr 2013, kam eine spannende Geschichte über ein Chalet in Saanen bei Gstaad ans Licht: Schon vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs war dem Unternehmen klar geworden, dass Basel im Kriegsfall stark gefährdet wäre. Besonders fürchtete die Firma drohende Bombenangriffe. Was würde mit den unzähligen Akten geschehen, die sämtliche Kundenbeziehungen und Rechtsansprüche dokumentierten? Was mit den Wertschriften, die damals noch physisch bei der Eigentümerin lagerten? Die Basler Versicherungen schmiedeten daher Notfallpläne – und führten sie zum Teil auch aus. Saanen bei Gstaad wurde zum Kriegsstandort auserkoren. Dort baute die Versicherung ein eigenes Reduit mit begehbarer Tresoranlage und Platz für die Hollerith-Datenverarbeitungsanlage, alles getarnt als eine unscheinbare Gruppe von vier ortsüblichen Chalets. Nur bei näherem Hinschauen ist auf den erhaltenen Bildern das Atypische zu erkennen: viel armierter Beton mit hochgezogenem Gemäuer und wenig Holz. Im Mai 1940 wurde dann sogar eine Not-Equipe nach Saanen verlegt. Bis zu fünfzig Angestellte arbeiteten und lebten dort bis zum Kriegsende, teilweise mit ihren Angehörigen.
Auch die damalige PTT bereitete sich auf eine Einnahme der Stadt Bern vor und ersuchte die Basler Versicherungen um Aufnahme der Briefmarkenreserve im Chalettresor. Zwischenzeitlich lagerten dort Wertzeichen der PTT im damaligen Wert von 75 Millionen Franken, was heute rund 410 Millionen Franken entspricht.
Vom Reduit zum Hotel
Kurz nach Kriegsende entschieden die Basler Versicherungen, die nun leerstehenden Gebäude in Saanen als Ferienheim für ihre Angestellten umzunutzen. Das Reduit wurde zum idyllischen Erholungsheim für Angestellte. Als die Chaletanlage langsam ins Alter kam, wurde sie durch einen Neubau ersetzt. Im Dezember 2013 öffnete das 3-Sterne-Superior-Hotel «Spitzhorn» auf demselben Grundstück seine Türen. Ob es sich lohnt, bei der nächsten Hotelübernachtung auf die Suche nach dem geheimen Tresorraum zu gehen?
Literatur und Quellen
- «Als die Balôise ihr Reduit baute», in: Berner Zeitung online. Publiziert am 05.12.2013, konsultiert am 14.02.2023.
- Escher, Markus und Lüönd, Karl. Sicherheit als Prinzip: 150 Jahre und eine Zukunft für die Basler. Basel: Bâloise Holding AG, 2013, S. 81–105.
- «Ewiges Swiss Chalet», in: Das Werk: Architektur und Kunst = L’œuvre: architecture et art. 1963, Band 50, Heft 11, S. 237.
- Jacquet, Pierre et al. Le chalet suisse = Das Schweizer Chalet = The Swiss chalet. Zürich: Orell Füssli, 1963.
- Malfroy, Sylvain. «Chalet», in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 14.07.2005, übersetzt aus dem Französischen, konsultiert am 01.02.2023.
- «Mon Tsalet», in: L’ami du patois: trimestriel romand. 1988, Band 16, Heft 60, S. 18.
Letzte Änderung 13.04.2023
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