Die Foire de Chaindon ist ein fester Bestandteil des Lebens im Tavannes-Tal und der ganzen Umgebung. Am ersten Montag im September bringt sie jedes Jahr Gross und Klein, Landwirtinnen und Landwirte, Züchterinnen und Züchter sowie Schaulustige zusammen. Das jahrhundertealte Markttreiben steht seit 2017 auf der Liste der lebendigen Traditionen der Schweiz.
In den Freibergen heisst es, das Jahr sei zweigeteilt: Es gibt die Zeit vor und die Zeit nach dem Marché-Concours, der grossen Veranstaltung rund ums Pferd, die im August in Saignelégier stattfindet. Man ist versucht, das Gleiche im Tavannes-Tal über die Foire de Chaindon zu sagen, da sie für die lokale Bevölkerung so zentral ist.
Die Anfänge
Der von den Einheimischen «Foire d'Chaindon» oder kurz «Chaindon» genannte Viehmarkt fand früher mehrmals im Jahr statt, meist im Mai, September und November, wobei der Turnus im Laufe der Jahrhunderte variierte. Heute verblieben ist einzig die Septemberausgabe. Die erste bezeugte Erwähnung des Marktes geht auf das 17. Jahrhundert zurück, auch wenn er älter sein dürfte. In der Region gab es im Übrigen noch weitere wichtige Märkte, doch nur die Foire de Chaindon zeugt heute noch von dieser Tradition.
Die weit über die Region hinaus bekannten Märkte fanden in Chaindon statt, einem Weiler zwischen Reconvilier und Tavannes, der – bis auf die Kirche – heute nicht mehr erhalten ist. Im Zuge der Entwicklung von Reconvilier verlagerte sich der Markt schrittweise dorthin.
Eine lokale – und rentable – Veranstaltung
Während der wenigen Festtage empfängt das 2500 Seelendorf Reconvilier knapp 50 000 Gäste. Das wiederkehrende Ereignis bestimmt seit jeher den Rhythmus des örtlichen Lebens, wie die Betriebszeitung «Tous» der Giesserei Boillat, dem ehemaligen industriellen Zugpferd des Ortes, in den 1960er-Jahren belegt. Darin finden sich auch Inserate zur Foire de Chaindon. In einer Anzeige wird etwa ein Käsekuchenverkäufer mit «starken Stimmbändern» gesucht. Traditionell wird dieser Kuchen von Kindern aus der Umgebung mit dem Spruch «Gâteau au fromage, tout chaud, tout bouillant, Chäschüeche!» angepriesen.
Für das gute Gelingen der Veranstaltung sorgen Gemeindepersonal, Polizei und SBB, die vor, während und nach der Foire de Chaindon bereitstehen, wie ein Interview von Gemeindepräsident Henri-Louis Favre mit dem Journal du Jura aus dem Jahr 1968 belegt. Stände aufstellen, Fahrzeuge parkieren (1300 für die Foire von 1967!), Sonderzüge mit dem Vieh entladen, all das erforderte Koordination und Organisation. Die örtlichen Vereine stehen dem in nichts nach. Sie bauen Essstände auf und versorgen das Publikum mit heimischen Spezialitäten. Die Veranstaltung finanziert einen beachtlichen Teil ihrer Budgets.
Vom Rekordjahr zur Post-Corona-Zeit
Für Charles-André Tièche, Autor der Publikation «L'Hôtâ», erreichte der Markt 1944 mit 3100 Pferden und 200 Rindern seinen Höhepunkt. Dies ist umso bemerkenswerter, als die Schweizer Armee zu diesem Zeitpunkt noch mobilisiert war. Doch der Markt war die Gelegenheit, die Viehhändlerinnen und Viehhändler, Züchterinnen und Züchter sowie Landwirtinnen und Landwirte nicht verpassen duften, wenn sie Tiere kaufen oder verkaufen wollten. Die Fotografien von Alfred Graber, die im Schweizerischen Literaturarchiv der Nationalbibliothek aufbewahrt werden, halten den Handel im Jahr 1942 fest, bei dem Kaufende und Verkaufende nach altem Brauch das Geschäft per Handschlag besiegeln. Die Mechanisierung verdrängte allmählich die Tiere, den Platz nehmen landwirtschaftliche Gerätschaften ein. 1984 wurden lediglich 300 Pferde und 600 Kühe, Rinder und Kälber angeboten. Im Jahr 2023 waren es noch rund 60 Pferde und etwa 80 Rinder.
Trotzdem bleibt die Foire de Chaindon auch heute attraktiv. Die Begeisterung für die Veranstaltung konnte man vor allem an der Enttäuschung ablesen, als die Covid-Pandemie die Organisatoren zwang, die Austragung 2020 und 2021 abzusagen. Doch auch wenn das Publikum und die Schaustellerinnen und Schausteller immer noch kommen, werden zusehends weniger Rinder und Kleintiere auf dem Festgelände gezeigt. Grund dafür sind die immer strengeren veterinärmedizinischen und administrativen Auflagen sowie die Zunahme des Online-Verkaufs (ein Erbe der Covid-Jahre), wie das Journal du Jura nach der Ausgabe 2022 berichtete.
Ihre reiche, lebendige Kultur und ihre Anpassungsfähigkeit stimmen zuversichtlich, dass die Foire de Chaindon die Herausforderungen der Zukunft meistern wird. Sie wird sich immer wieder neu erfinden und florieren und so eine Tradition fortführen, die Jahrhunderte überdauert hat.
Literatur und Quellen
- Michel Bourquin [et al.]. Histoire de Reconvilier: [884–1984]. Reconvilier: Secrétariat municipal, 1984.
- Roger Châtelain. Une opinion concernant l’origine de la foire de Chaindon. Biel: R. Châtelain, 1983.
- Foire de Chaindon. In: Die lebendigen Traditionen der Schweiz [online]. Konsultiert am 12.06.2024.
- Christine Gagnebin-Diacon, Reconvilier. In: Historisches Lexikon der Schweiz [online]. Version vom 03.05.2012. Konsultiert am 12.06.2024.
- Donna Leonie Gallagher, Les secrets du gâteau au fromage. In: Le Journal du Jura, 05.09.2023, S. 2–3.
- Miguel-A. Garcia, La foire est vitale!. In: L’impartial, 05.09.2006, S. 11.
- Alfred Graber. Chaindon: Pferdemarkt. In: Fonds Alfred Graber, Schweizerisches Literaturarchiv.
- Kiki Lutz, Foire de Chaindon. In: Dictionnaire du Jura [online]. Version vom 21.09.2017. Konsultiert am 12.06.2024.
- Laurence Marti. Foire de Chaindon: die Geschichte eines grossartigen Jahrmarkts. Saint-Imier: Ed. du Roc, 2023.
- Philippe Monnier. La foire de Chaindon. Moutier: À l’Enseigne du Moustier, 1947.
- Emile Perrin / Sébastien Goetschmann, Une plus grande sévérité qui inquiète. In: Le Journal du Jura, 06.09.2022, S. 2–3
- Charles-André Tièche, La foire de Chaindon. In: L’Hôtâ, Nr. 6, 1983, S. 3–11.
- Tous: journal d'entreprise Boillat S.A., Reconvilier: Reconvilier, Boillat S.A., 1961–1995.
Letzte Änderung 08.08.2024
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