Vor 125 Jahren wurde die NB gegründet. Wie sah die Schweiz damals aus, was bewegte die Menschen, was waren die damaligen Trends und Moden? 2020 blicken wir zurück: Diesen Monat auf die Anfänge der Elektrizitätsgewinnung und –nutzung in der Schweiz am Beispiel von Freiburg im Üechtland.
Ende des 19. Jahrhunderts war die Schweiz eine Vorreiterin der Elektrifizierung. Das stellte der nordamerikanische Technikjournalist Frederick Bathurst fest, als er Europa durchreiste und dort die eindrücklichen Elektrizitätswerke sah. In seinem Reisebericht vom Juni 1894 schrieb er, die Schweiz sei das elektrische Zentrum Europas («the present electrical centre of Europe»).
Erfindungen und Wagemut spielten eine zentrale Rolle beim epochalen Wandel der Elektrifizierung. Sie beruhte aber auch auf der grossen Erfahrung im Nutzbarmachen der Wasserkraft. Denn seit dem Mittelalter waren Mühlen, Schmieden, Sägereien und andere mechanische Werke entlang von Flüssen und Bächen betrieben worden.
Der Übergang von der Hydromechanik ins Zeitalter der Elektrizität erfolgte nicht überall auf direktem Weg. In Freiburg und an anderen Orten gab es eine Übergangsphase, in welcher die Wasserkraft mittels «teledynamischer Kabel» an hunderte Meter entfernte Orte übertragen wurde. Zunächst lernte die Hydromechanik also Distanzen zu überwinden, wurde zur Hydroteledynamik, bevor sie später von der Hydroelektromechanik, dem elektrischen Wasserkraftwerk, abgelöst wurde.
Bereits in den 1860er-Jahren schlug der geniale Ingenieur und Architekt Guillaume Ritter vor, die Stadt Freiburg umfassend zu industrialisieren. Das folgenreichste seiner zahlreichen Projekte sah den Bau eines Kraftwerks an der Saane vor, um damit Trinkwasser für die Stadt in ein Reservoir hochzupumpen sowie Kraft für Industriebetriebe mittels «teledynamischem Drahtseil» auf das Pérolles-Plateau zu übertragen. Anders als andere Pläne konnte Ritter diese Idee umsetzen.
Die von 1870 bis 1872 erstellte Staumauer in der Mageren Au im Saanegraben war die erste Staumauer aus Beton in Europa, vielleicht gar weltweit. Die beiden installierten Turbinen à je 300 PS stammten von J. J. Rieter & Cie. in Winterthur. Diese Firma lieferte auch die Anlage zur mechanischen Kraftübertragung mit Drahtseilen.
Nachdem Ritter 1874 Konkurs gemacht und in seine Geburtsstadt Neuenburg zurückgekehrt war, erwarb Raymond de Montenach die Firma. 1888 übernahm der Kanton Freiburg das Unternehmen, das später in der Groupe-E aufgegangen ist.
Ab 1887 wurde die Elektrifizierung des Werks in der Mageren Au geprüft. 1892 konnte Freiburg als eine der ersten Schweizer Städte von dort Strom für die elektrische Beleuchtung beziehen. Als erster Ort in der Schweiz hatte St. Moritz 1879 elektrisches Licht erhalten, Zürich 1882, Bern 1891.
Die Fabriken auf dem Pérolles-Plateau (Sägewerk, Düngerfabrik, Giesserei etc.) wurden noch einige Zeit über die Drahtseile mit mechanischer Energie versorgt. 1893 beschloss der Freiburger Grosse Rat (Kantonsparlament), den Antrieb der Werke zu elektrifizieren; 1895 erfolgte die Betriebsumstellung. Zum Einsatz kamen zwei Gleichstrom-Generatoren des vom Genfer René Thury entwickelten Typs. Ab 1897 fuhr auch das Tram in Freiburg mit Strom aus der Mageren Au.
- Artikel Elektrifizierung im HLS
- David Gugerli, Redeströme: zur Elektrifizierung der Schweiz, 1880-1914, Zürich: Chronos-Verlag 1996
- Artikel Guillaume Ritter im HLS
- Hansruedi Völkle, Guillaume Ritter – Ingenieur, Unternehmer und Visionär, in: Bulletin de la Société Fribourgeoise des Sciences Naturelles 106 (2017) 127-141
- O[tto] Billeter, Guillaume Ritter [nécrologie], in: Bulletin de la Société neuchâteloise des sciences naturelles Tome 41 (1913-1916) 159-164 (mit Lit.-Verz.)
- Industrialisierung der Pérolles-Ebene
Letzte Änderung 11.02.2020
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