Mit Detektivarbeit zum richtigen Buch

Frage einer Filmemacherin

Vor einiger Zeit hatte ich ein altes rätoromanisches Schulbuch in den Händen, in dem es um einen Knaben namens Columbin geht. Jetzt suche ich dieses Buch, um die Geschichte eventuell zu verfilmen. Können Sie mir helfen?

Die Knaben Retus und Columbin helfen dem Wandermönch Sigisbert beim Bau einer Küche. Das Bild stammt aus der Originalausgabe des Buchs «Sigisbert en Rezia» aus dem Jahr 1902.
Linus Flepp (Illustrator), Sigisbert, Retus und Columbin bauen einen Herd, aus: Maurus Carnot, Sigisbert en Rezia = Sigisbert in Rätien = Sigisbert in Rezia, Disentis/Mustér: Gemeinde/Vischnaunca 2014, Seite 17.

Antwort von SwissInfoDesk

Sie haben Glück: Die Schweizerische Nationalbibliothek hat die 1902 erschienene Originalausgabe von «Sigisbert en Rezia» digitalisiert und online gestellt. 

Herauszufinden, dass es sich um dieses Buch handelt, war eine knifflige Angelegenheit. Die Suche in Bibliothekskatalogen und Verzeichnissen nach «Schulbuch Columbin» führt zu keinem Erfolg. Der Browser fragt «Meintest du: kolumbien» und bietet Resultate von Columbus bis zum Amoklauf in Columbine, USA.

Der Bibliothekar denkt beim Namen «Columbin» an den irischen Mönch Columban, einen Weggefährten von Gallus, dem Schutzpatron von St. Gallen. Um sich in rätoromanischer Literatur kundig zu machen, konsultiert er das Überblickswerk «Die Rätoromanen: Ihre Identität in der Literatur» und findet dort des Rätsels Lösung. Nämlich den Hinweis auf das Buch «Sigisbert en Rezia» von Pater Maurus Carnot, das während hundert Jahren als Lehrmittel an den romanischen Schulen eingesetzt wurde. Es handelt sich um ein Lesebuch, in welchem der Gründungsmythos des Klosters Disentis erzählt wird. Die Hauptpersonen der Erzählung sind die Wandermönche Sigisbert und Bonus sowie die Knaben Retus und Columbin.

Der Einsatz dieses Lehrmittels war umstritten. Den einen war es zu konservativ katholisch, den anderen gefiel das Lokalkolorit des Inhalts. Konflikte um Lehrinhalte kommen und gehen: Mythen, Religionen, Sprachen, und Idiome werden zu Spielbällen der politisch-ideologischen Auseinandersetzung. Denn Schul- und Lesebücher haben eine identitätsstiftende Funktion, die Bilder und Texte bleiben in der Erinnerung der Lesenden haften.

Weitere Ausgaben des Schulbuchs:

Zum Lehrmittelstreit in Graubünden (1900):

Gion Deplazes, «Sigisbert» cunter «Robinson», in: Litteratura. Novas litteraras 6 (1983), no. 2: La traducziun, pp. 246-260.

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Letzte Änderung 17.05.2018

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